Geschafft! Martin Melhorn ist nach seiner beruflichen Reha zurück im Job

Martin Melhorn (45): „Ich sehe nun als Blinder.“

Der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer schweren Krankheit ist nicht immer leicht. Mit wir.Neustarter haben Sie ein starkes Team an Ihrer Seite. Wir schaffen es gemeinsam.

„Ich sehe nun als Blinder.“

Auf einmal ist alles schwarz. Martin Melhorn steht an einer Ampel in München, als er plötzlich nicht mehr sehen kann. Ein paar Monate zuvor hatte er seine Sehkraft bereits auf dem linken Auge verloren. Augeninfarkt. Er richtete sein Leben neu ein, startete wieder durch. Und jetzt? Ist er für einen qualvollen Moment vollständig blind. 

Irgendwie schleppt er sich in ein Restaurant, von dort geht es im Krankenwagen in die Klinik. Aus einem geplanten Wochenendtrip mit seiner Frau werden drei Wochen. Die Sehstörungen treten zunächst nur selten auf. Die Diagnosen wechseln. Kurz vor seiner Entlassung aus dem Krankenhaus verliert er seine Sehkraft für immer. “Ich konnte mitverfolgen, wie mein Augenlicht schwindet. Von morgens bis abends, es wurde es weniger. Das Letzte, was ich sah, war das Lächeln meiner Frau“, schildert Melhorn die Stunden, die sein Leben für immer verändern. 

Martin Melhorn an seinem mit technischen Hilfen ausgestatteten Arbeitsplatz
„Die Zeit meiner beruflichen Reha war für mich horizonterweiternd und perspektivverändernd, weil ich seitdem als Blinder sehe.“

Seine Frau, seine Familie und Angehörige seiner Kirche helfen dem gläubigen Christen, neue Hoffnung zu schöpfen. Nur wenige Tage nach seiner Erblindung wird er aktiv. Er kündigt sein Abo für das Lustige Taschenbuch und die Dauerkarte für seinen Lieblingsverein. „Ich habe mich nicht damit aufgehalten, ins Depriloch zu fallen, da hab ich nicht reingepasst“, lacht Melhorn, der mit fast 1,90 m Körpergröße eine stattliche Erscheinung ist. „Man muss das Leben angehen, nach vorne blicken.“ 

Für den erblindeten Finanzexperten ist klar: Er will zurück in den Job. Und sein Chef unterstützt ihn. Vor seiner Krankheit finanzierte er Flugzeuge in Amerika, Asien und dem Mittleren Osten, wurde stellvertretender Gruppenleiter. Sein Arbeitgeber, eine norddeutsche Bank, will seine Expertise weiter nutzen.

Statt die Dinge zu überstürzen, bereitet er seine Rückkehr an den Arbeitsplatz gründlich vor. Nach seiner medizinischen Reha macht er über den Rehaträger im BFW Halle für ein Jahr eine blindentechnische Grundrehabilitation. „Meine Zeit in Halle war das Beste, was mir passieren konnte. Im Internat konnte ich mich ganz auf mich und mein Ziel konzentrieren. Wenn man den Begriff blind steigern könnte, wäre ich in meiner Klasse der Blindeste gewesen. Das war ein Geschenk: Ich hatte keine Alternative. Ich musste mich voll auf die Lerninhalte einlassen.“ Und die haben es in sich: Er paukt die Blindenschrift und lernt, mit speziellen Hilfsmitteln einen PC zu nutzen.

Seine Reha im BFW Halle schließt auch eine Maßnahme zur Arbeitsplatzanpassung ein, bei der er direkt in seinem Job geschult wird. Nach einem halben Jahr umfasst eine Excel-Liste 40 Softwareanwendungen, die er als Blinder im Berufsleben braucht. Um digitale Barrieren zu überwinden, begleitet ihn bis heute eine Arbeitsassistenz, die vom Integrationsamt finanziert wird, im Arbeitsalltag. Auch mit seiner Erblindung will er einen guten Job machen. Und er weiß, dass dazu Veränderung und Weiterentwicklung gehören. „Die Zeit meiner beruflichen Reha war für mich horizonterweiternd und perspektivverändernd, weil ich seitdem als Blinder sehe.“